OREGANO ALS GEWÜRZ UND ARZNEIMITTEL

 

von Arne Krüger

Berliner Heilpraktiker Nachrichten Nr. 5 / 1999

 

Da immer mehr Bakterien und Pilze gegen die konventionellen Antibiotika und Antimykotika resistent werden, bekommen die volks- und naturheilkundlichen Stoffe wieder eine besondere Rolle. Das Gewürzregal eines durchschnittlichen Haushalts enthält nach Erkenntnissen eines Forscherteams der Kansas State University ein wirkungsvolles „Waffenarsenal“ gegen Bakterienvergiftungen von Lebensmitteln bereit. Die Ergebnisse der Studie, die beim aktuellen Jahrestreffen des „Institute of Food Technologists“  vorgestellt wurde, lassen auf bemerkenswerte antimikrobielle Eigenschaften von Gewürzen schließen. Wissenschaftler der Universität hatten 24 Gewürze in Hackfleisch und roher Salami auf ihre Wirkung auf Lebensmittel-Toxine untersucht und herausgefunden, daß Knoblauch, Oregano, Salbei, Nelken und Zimt besonders wirksam sind. Oregano, der wilde Majoran, ein altes Gewürz mit einer breiten volksheilkundlichen und mythologischen Palette, welches hierzulande vorwiegend als Pizzagewürz bekannt ist, sollten wir öfter einmal anwenden.

 

BOTANIK :

 

Wenn Oregano als Gewürz und Heilmittel gemeint ist, handelt es sich um Origanum vulgare L.,

( synonym Thymus origanum ) den gemeinen Dost, Wohlgemut oder wilden Majoran.

Andere Namen sind Marjolaine sauvage, morjolaine bàtarde, origan, thym de berger ( französisch ), Wild marjoram ( englisch ), Maggiorana selvatica, origamo, regamo ( italienisch ), Vild meriam ( dänisch ), Raudolenis ( litauisch ), Vill meriam, Bergmynte, Kung ( norwegisch ), Lebiodka ( polnisch ), Duszyca ( russich ), Konig ( schwedisch ), Dobromysl ( tschechisch ) und Szurokfu ( ungarisch ).

 

Der Name Origanum  stammt aus dem griechischen (origanon / origanos) und leitet sich wohl von oros für den Berg und .ganos für den Begriff Glanz oder Zierde ab. Übersetzt heißt es also Bergzierde. Der deutsche Name Dost stammt aus dem althochdeutschen ( dosto, tosto)  und bedeutete zunächst wohl nur, daß es sich beim Oregano um eine buschartige Pflanze handelt.

 

Die in Eurasien heimische, 20-50 cm hohe Staude mit einjähriger Primärwurzel und Primärachse, aus deren Knospen Bodenausläufer, Laub- und Blütensprosse hervorgehen, trägt eiförmige, bis 4 cm lange Blätter und hellkarminrote, zu trugdoldigen Rispen vereinigte Lippenblüten. Was den Standort angeht, ist die Pflanze wenig wählerisch. Sie wächst auf trockenen Hängen, in Magerwiesen und Gehölzen mit kalkhaltiger wie auch kalkarmer Unterlage. Düngung, Beweidung und Maht führen zum verschwinden des Oregano. Durch Düngung ließ sich der ätherische Ölgehalt von 0,20 auf 0,36% erhöhen.

 

Oregano ist ein Gewächs aus der Pflanzenfamilie der Lamiaceae (Lippenblütengewächse). Verschiedene Arten der Gattung Origanum sind im Mittelmeergebiet heimisch und werden als Gewürze gehandelt. Die wichtigsten Arten sind O. vulgare (pan-europäisch), O. onites (Griechenland, Kleinasien) und O. heracleoticum (Italien, Balkan, Westasien). Geruch und Geschmack sind stark aromatisch, warm und ein klein wenig bitter. Eine verwandte Pflanze des Oregano ist der Majoran

( Origanum majorana L. )

 

PHARMAKOLOGIE UND TOXIKOLOGIE :

 

Die Inhaltsstoffe des Oregano  sind vielfältig. Das ätherische Öl (max. 4%) enthält variable Mengen an den beiden Phenolen Caracrol und Thymol sowie eine Vielzahl von Monoterpenkohlenwasserstoffen (Limonen, Terpinen, Ocimen, Caryophyllen, beta-Bisabolen und p-Cymen) und Monoterpenalkohlen (Linalool, 4-Terpineol). Besonders die Inhaltsstoffe Thymol und Carvadrol haben schon durch die Jahrhunderte das Interesse von Heilkundigen, Priestern und Phamakologen geweckt. So verwendete man im alten Ägypten Thymol und Carvacrol aus dem Thymian wegen seiner bakteriziden und fungiziden Eigenschaften zur Konservierung von Mumien. Im Mittelalter bis in die Neuzeit galten Zubereitungen ätherischer Öle als „Antibiotika für die Armen“. Die Vielzahl von angebotenen „Oreganoölen“ unterscheiden sich ganz erheblich in den Gehalten und der Zusammensetzung an wirkungsbestimmenden Inhaltsstoffen – ebenso in Wirksamkeit, Qualität und Preis.  Thymol und Carvacrol sind chemisch gesehen Isomere und Abkömmlinge des Phenols.  Phenol wurde im Jahr 1887 erstmalig von Lister zur Wundreinigung eingesetzt. Es wirkt schon in einer Konzentration von 0,2 bis 1,0 % bakterizid. Aufgrund seiner hohen Toxizität ( Bewußtlosigkeit, Hypotonie, Krämpfe und Nierenentzündung ), kann es aber nicht in hohen Konzentrationen auf der Haut oder peroral eingesetzt werden. Die Phenolderivate Thymol und Carvacrol haben hingegen eine weite Verwendung in der Medizin gefunden, denn Thymol ist etwa 30mal stärker wirksam als Phenol und nur 1/3 so toxisch. Es zeichnet sich durch eine starke desinfizierende, fungizide und bakterizide Wirkung aus und wird wegen eines angenehmen Geschmacks in Mundwässern, Zahnpasta und in 5%iger alkoholischer Lösung zur Hautdesinfektion verwendet. Innerhalb der Schulmedizin werden Thymol und Carvarol besonders in der Zahnheilkunde eingesetzt. Bei der Behandlung von Infektionen der Mundhöhle zeigen Thymol und Carvacrol neben anderen Wirstoffkombinationen eine gute Wirkung gegen verschiedene Keime. Weiter finden sich Thymolzubereitungen als Vaginalkapseln, Zäpfchen und als Wundbehandlungsmittel. In neuerer Zeit finden Thymol und Carvacrol Verwendung bei der Metaphylaxe und Therapie von Pilzinfektionen der Mundhöhle bei AIDS-Patienten.

 

Thymol und Carvarol kommen neben dem Oregano auch in einer ganzen Reihe von anderen Pflanzen vor und zeigen auch hier eine ausgeprägte bakterizide und fungizide Wirkung. In der Volksheilkunde vieler Naturvölker, als Würz- und Geschmacksstoffe sowie in der Tierernährung werden diese Pflanzen wegen ihrer die Nahrungsmittel konservierenden Wirkung geschätzt. In der Tiermedizin wird Thymol seit vielen Jahren zur Behandlung der Trichophytie und anderer Hautpilzinfektionen eingesetzt. Wie wirkungsvoll die ätherischen Öle Thymol und Carvacrol beim oralen Einsatz sind, demonstrierte Prof. Günther vom Tierernährungsinstitut Göttingen. Eine mit einem Zusatz von ätherischen Ölen gefütterte Ferkelversuchsgruppe steigerte die Körpergewichtszunahme um 7,2% und die Futterverwertung um 9,1%. Prof. Günther beurteilte diese ätherischen Öle als „Verdauungsförderer.“ Natürliche Verdauungsförderer stimulieren die Gallensaft und Enzymsekretion, die Verdauung wird optimiert und es fallen weniger schädliche Stoffwechselprodukte an.

 

Oral aufgenommenes Thymol und Carvacrol werden über die gesamte Länge des Darmes resorbiert. Die Ausscheidung erfolgt über die Nieren sowohl unverändert als auch metabolisiert durch Glucuronidierung, Hydroxylierung und Sulfatkonjugation.

 

TABELLE

 

 

Notwendige Dosis von verschiedenen ätherischen Ölen,

um  1 Liter bakterielle Nährlösung zu sterilisieren.

Modifiziert nach Stein / nach Valney, J. (1982).

The Practice of Aromatherapy.

 

Thymian                                                              0,70 ml

Oregano                                                              1,00 ml

Rose                                                                     1,80 ml

Nelke                                                                   2,00 ml

Eucalyptus                                                           2,25 ml

Pfefferminz                                                         2,50 ml

Mädesüß                                                              3,30 ml

Anis                                                                      3,70 ml

Zimt                                                                      4,00 ml

Wilder Thymian                                 4,00 ml

Anis                                                                      4,20 ml

Senf                                                                      4,20 ml

Rosmarin                                                            4,30 ml

Birke                                                                   4,80 ml

Lavendel                                                              5,00 ml

Balsamstrauch                                                   5,20 ml

Phenol                                                                  5,60 ml

Wachholderbeeren                                           6,00 ml

Fenchel                                                                6,40 ml

Knoblauch                                                           6,50 ml

Zitrone                                                                 6,50 ml

Petersilie                                                            8,80 ml

Veilchen                                                              9,00 ml

 

 

VOLKSHEILKUNDE UND MYTHOLOGIE :

 

Unter dem von Dioskurides angeführten Feld-Origanum ist  wohl das in Griechenland und im Orient häufige, meist weißblühende Origanum viride zu verstehen. Dioskurides  schreibt von der Pflanze nur, daß Blätter und Blüten, mit Wein getrunken, gegen den Biß wilder Tiere helfen. Aristoteles erzählt, daß die Schildkröten, nachdem sie eine Schlange verschlungen haben, um nicht zu sterben, Oreganum fräßen. Scribonius Largo benutzte Oreganum als Brechmittel. In den alten deutschen Kräuterbüchern wird Origanum vulgare sehr eingehend behandelt. Nach Ansicht von Hildegard von Bingen genügt es, davon zu essen oder es zu berühren, um sich die Lepra zuzuziehen, dagegen sei die Pflanze ein sicheres Mittel für die Menschen, welche schon leprakrank wären.

Konrad v. Megenberg empfiehlt Oregano mit Schwefel gemischt als ein gutes Mittel, um Ameisen zu vertreiben. Allgemein wurde Oregano in der Volksheilkunde als Mittel gegen mangelhafte Verdauung, Verstopfung, Nieren- und Leberleiden, Gelbsucht, Unterleibskrämpfe der Frauen, Kopfschmerzen, Zahnschmerzen, Halsentzündungen, Rheumatismus und Husten verwendet. Wie Knoblauch und Stinknessel (Stachys silvaticus) diente der Oregano als Berufs- und Beschreikraut, um vor bösem Zauber und Übertragungen von Krankheiten zu schützen. Der Oregano ist wohl wegen des stark aromatischen Geruches eine uralte antidämonische Pflanze. Über die Verwendung als zauberabwehrendes Mittel im deutschen Volke berichtet Marzell. Im deutschen Volksaberglauben erscheint der Dorst besonders in Verbindung mit Dorant, Hertheu (Johanniskraut), weißer Heide, Baldrian, Dill und Schwarzkümmel als eines der hauptsächlichsten Mittel, um Hexen fern zu halten. Zahlreiche Sagen erzählen, wie der Böse (Teufel, Hexe) vor dem Dorst fliehen mußte. Häufig wird eine Wöchnerin genannt, die der Dorst vor dem Unheil schützte. Als Pflanze des Gegenzaubers ist der Dorst häufig auch ein Bestandteil des Kräuterbündels. Besonders ist der Oregano als ein Mittel gegen die Milchverhexung beschrieben. Im Stall oder im Haus aufgehängt, verwehrt der Oregano den Hexen den Eintritt.

 

PFLANZENHEILKUNDE :

 

In der Pflanzenheilkunde kann der Oregano zur Entgiftung verwendet werden, den er zeigt eine harmonisierende und entgiftende Wirkung besonders bei chronischen und schleichenden Vergiftungen, z.B. durch Amalgam-Plomben der Zähne. Auch bei Menstruationsbeschwerden, bei morgendlicher Übelkeit und besonders bei Schwangerschaftsübelkeit hat sich Oregano als hilfreich erwiesen. Auch als Schmerzmittel ist Oregano hilfreich, besonders positiv ist, daß der Oregano nicht schläfrig macht, sondern die Lebensgeister anregt. Oregano soll uns helfen, wieder zu uns selbst zu finden, statt in Gedanken immer nur in der Zukunft und beim arbeiten zu sein. Oregano kann helfen, das ICH zu entwickeln, erheblich dazu beitragen, den aufgewühlten und streßgeplagten Geist zu harmonisieren.

 

Bei chronischen Vergiftungen kann man 1 Eßlöffel Oregano in ½ Liter Wasser fünf Minuten aufkochen und das Wasser dann durch ein Sieb gießen. Von dem Sud sollte man zweimal täglich ein kleines Glas trinken und diese Kur 3 bis 4 Wochen anwenden.

 

Bei Übelkeit und Mentruationsbeschwerden sollte man 1 Teelöffel Kräutertee mit ½ Teelöffel Oregano mischen und das Ganze mit einer Tasse kochendes Wasser überbrühen. Man läßt den Tee 5 bis 10 Minuten ziehen und seiht ihn dann ab. Den Tee kann man direkt trinken.

 

Bei Gelenkschmerzen sollte man sich kaltgepreßtes Sesamöl kaufen und 100 ml davon mit 2 Teelöffeln Oregano mischen. Das Öl sollte einen Tag lang ziehen. Danach kann man die schmerzenden Gelenke zweimal täglich einreiben. Bei Kopfschmerzen kann man das Öl auch auf Stirn und Nacken einreiben.

 

Bei Schlafstörungen sollte man ein kleines Baumwollkissen mit Oregano füllen und es sich unter das Kopfkissen legen.

 

Bei Unruhe und Hektik sollte man viel mit Oregano würzen und auch 2 x täglich 5 Tropfen des Oregano-Öls einnehmen.

 

DIÄTETIK :

 

In Italien ist Oregano ein unverzichtbarer Bestandteil einer echten neapolitanischen Pizza.  Für die Verwendung als Gewürz wird die Pflanze am besten im Herbst gepflückt, in Büscheln getrocknet und zerrieben. Der getrocknete Oregano hält lange sein Aroma, so daß er auch als getrocknetes Gewürz im Winter verwendet werden kann. Das von den Europäern nach Südamerika eingeführte Gewürz fand besonders auch in Mexiko großen Anklang, wo es besonders in Kombination mit Chili verwendet wird.

 

HOMÖOPATHIE :

 

Im homöopathischen Arzneimittelbild findet man starke Veränderungen der Stimmung. Auch Ängste treten auf. Bei Patientinnen zeigen sich mächtige laszive Impulse, die den Patientinnen Angst machen, weil sie dadurch ihren religiösen Pflichten nicht nachkommen.  Man findet sexuelle Ausschweifungen und die permanente Beschäftigung mit der Sexualität. Es finden sich Gedanken an Heirat, das Schwinden der Gedanken während sexueller Erregung und laszive Gedanken mit sexueller Reizung.

Zum Arzneimittelbild von Oregano gehört auch die Nymphomanie bei jungen Mädchen und die Neigung zur Onanie.

 

Auch Wahnideen, Halluzinationen, Einbildungen und Sinnestäuschungen können beobachtet werden. Die Patientinnen glauben sich verloren und geächtet. Sie glauben in der Hölle zu sein und in Ketten zu liegen.  Die Träume sind ängstlich, erotisch, erregend, lastziv und lebhaft. Man findet einen häufigen Harndrang, der die Patienten nachts bis  zu viermal aus dem Schlaf weckt.

 

LITERATUR :

 

1.      Bächtold-Stäubli, H. : Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, W.d.Gruyter, Nachdruck 1978, Berlin

 

2.      Braun, H. / Frohne, D. : Heilpflanzenlexikon, G.Fischer-Verlag, 6. Aufl. 1994, Stuttgart

 

3.      Maudaus, G. : Lehrbuch der biologischen Heilmittel Bd. 3, Olms-Verlag, Nachdruck 1976, Hildesheim

 

4.      Schroyens, F. : 1001 kleine Arzneimittel, Hahnemann-Institut, 1. Aufl. 1995, Greifenberg

 

5.      Schwarz, A. / Schweppe, R. : Heilen mit Gewürzen, Droemer-Verlag, 1. Aufl. 1997, München

 

6.      Seideneder, A. : Mitteldetails der homöopathischen Arzneimittel Bd. 3, Similinum-Verlag, 1. Aufl. 1998, Ruppichteroth

 

7.      Stein, M. : Oregano, Hochwirksam und mehr als nur ein Pizzagewürz, VETimpulse Nr. 5 / 1999